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Tüpfelhyänen

Steckbrief
Eine komplexe Gemeinschaft
Erscheinungsbild und Besonderheiten
Verbreitung
Ernährung
Systematik


Steckbrief

Tüpfelhyäne

Name: Crocuta crocuta
Körperlänge: ~ 125 cm
Schulterhöhe: ~ 75 cm
Gewicht: ~ 58 kg
Tragzeit: ~ 110 Tage
Wurfgröße: 1 oder 2 (selten 3)
Stillzeit: 7 – 24 Monate
Lebensdauer (max.): 19 Jahre
Alter bei 1. Geburt (Weibchen):
2 – 5 Jahre


Eine komplexe Gemeinschaft

Tüpfelhyänen leben in sozialen Gruppen von bis zu 130 Tieren, mit bis zu 50 Weibchen, 40 Männchen und 40 Jungtieren. In diesen ‘Clans’ gibt es eine klare, lineare Hierarchie, in der die Weibchen und ihre Jungen die immigrierten Männchen dominieren. Töchter und Söhne erben den Rang gleich unterhalb demjenigen der Mutter. Tüpfelhyänen leben demnach in matrilinearen Gemeinschaften und werden – bis auf wenige spektakuläre Ausnahmen – von einem ‘Alpha-Weibchen’ und ihren Jungen angeführt.

Töchter bleiben normalerweise ihr Leben lang in ihrem Geburtsclan und bauen enge Beziehungen zu ihrer Mutter und ihren Schwestern auf. Dieses System von Koalitionen festigt die Rangpositionen innerhalb der Hierarchie. Koalitionen und Hierarchien sind deshalb meist über viele Jahre stabil. Wenn jedoch die Koalition des Alpha-Weibchens geschwächt wird, zum Beispiel weil eines der Weibchen stirbt, kann es einer anderen Koalition gelingen, das Alpha-Weibchen und ihre Verbündeten zu stürzen und die Macht zu übernehmen.

Töchter wandern aus und gründen einen neuen Clan, wenn ein benachbarter Clan ausstirbt oder alle Mitglieder eines Clans ihr Territorium für längere Zeit verlassen. Beides kommt in intakten Ökosystemen nur sehr selten vor. Wenn Gebiete frei werden, sind es meist junge, niedrigrangige Weibchen, die sich von einem anderen Clan abspalten und im frei gewordenen Territorium einen neuen Clan gründen. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass niedrigrangige Weibchen am meisten von einem Neuanfang ohne viele höherrangige Hyänen profitieren. Sie sind auch diejenigen, die am ehesten bemerken, dass ein Gebiet frei wird, da sie während der Nahrungssuche häufiger in andere Gebiete eindringen als höherrangige Weibchen. Weibchen können auch aus ihrem Geburtsclan aus- und sich einem anderen Clan anschließen. Das ist jedoch sehr selten und haben wir im Ngorongoro-Krater erst einmal beobachtet als drei Weibchen des Airstrip-Clans sich dem Shamba-Clan anschlossen.

Im Gegensatz zu den Töchtern wandern die meisten Söhne im Alter von dreieinhalb Jahren aus. Im neuen Clan ordnen sich alle Neuankömmlinge in der Rangfolge ganz unten ein, auch die Söhne hochrangiger Weibchen. Dies liegt daran, dass bei Tüpfelhyänen der Rang eines Männchens von seinem sozialen Netzwerk abhängt und nicht, wie bei den meisten anderen Säugetieren, von seiner physischen Stärke.

Neuankömmlinge müssen sich also den bereits etablierten Männchen unterordnen, da sie noch keine Freunde haben, die sie unterstützen könnten. Nach der Einwanderung steigen Männchen in der Rangfolge normalerweise nur dann auf, wenn höherrangige Männchen sterben oder in einen anderen Clan abwandern. So brauchen sie viele Jahre, bis sie zuvorderst in der ‘Schlange’ der Männchen stehen.

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Erscheinungsbild und Besonderheiten

Tüpfelhyänen haben ein hundeähnliches Erscheinungsbild und hell- bis dunkelbraunes Fell. Der Körperbau ist kräftig mit langem, muskulösem Nacken, wuchtigem Schädel und großen, runden, oben leicht zugespitzten Ohren. Der Schädel ist gekennzeichnet durch einen hohen sagittalen Kamm, der sich bis zum Ende des Hinterkopfes erstreckt. Mit den daran ansetzenden kräftigen Kiefermuskeln können Tüpfelhyänen enorme Beißkräfte entwickeln.

Weibchen und Männchen sehen einander sehr ähnlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren unterscheiden sich die beiden Geschlechter bei Tüpfelhyänen kaum bezüglich Aussehen, Körperbau und Größe:

  • Weibchen sind nur 1% größer und 3% länger als Männchen.
  • Weibchen haben vermännlichte äußere Geschlechtsorgane:
    • Harnröhre und Vagina sind zu einem einzigen Harn-Geschlechtsgang verschmolzen, durch den die Weibchen urinieren, sich verpaaren und ihre Jungen zur Welt bringen. Die Klitoris ist zu einem ‚Pseudopenis‘ verlängert, der dem männlichen Penis gleicht und wie dieser erigierbar ist.
    • Die äußeren Schamlippen sind zu ‚Pseudohoden‘ verwachsen und mit Gewebe gefüllt; auch sie sehen ihrem  männlichen Pendant, den Hoden, sehr ähnlich. Tüpfelhyänen sind die einzigen Säugetiere ohne äußere Vaginalöffnung.

Das Geschlecht von jungen Weibchen und Männchen ist deshalb aufgrund äußerer Merkmale nur schwer zu bestimmen. Wie es doch geht steht hier >

Der Pseudopenis ist ein kostspieliges Organ. Bei erstgebärenden Weibchen kommt der erste Zwilling manchmal tot zur Welt, weil der Pseudopenis noch unelastisch ist. Gemäß der Evolutionstheorie sollte ein solch kostspieliges Organ nur existieren, wenn sein Nutzen die Kosten übersteigt. Welchen Nutzen der Pseudopenis hat, zeigen wir hier >

Tüpfelhyänenmütter sind äußerst fürsorglich. Für die Geburt suchen sich die Mütter einen separaten Geburtsbau mit nur einem engen Eingang. Nach der Geburt bleiben sie zwei Wochen lang fast ununterbrochen am Bau und bauen eine enge Beziehung zu ihren Jungen auf. Danach tragen sie sie zur Sozialisierung zum Gemeinschaftsbau. Das Geburtsgewicht von Hyänen liegt bei ca. 1,5 kg. Junghyänen wachsen sehr schnell heran, denn Fett- und Energiegehalt von Tüpfelhyänen-Milch gehören zu den höchsten unter Säugetieren. Trotzdem werden sie bis zu zwei Jahre lang gesäugt! Insgesamt investieren Tüpfelhyänenmütter soviel Zeit und Energie in ihre Nachkommen wie kaum ein anderes Säugetier. Der Einsatz der Väter ist im Vergleich dazu vernachlässigbar; sie kümmern sich nicht um die Jungtiere sondern leisten höchstens einen indirekten Beitrag indem sie Beute reißen, die ihnen die Weibchen dann abjagen können.

Tüpfelhyänenjunge sind bei der Geburt weiter entwickelt als alle anderen landlebenden Raubtiere. Sie können ihre Augen öffnen und ihre Schneide- und Eckzähne sind bereits durchgebrochen. Die Neugeborenen sind in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt sehr kampflustig, denn sie wollen so früh wie möglich die Rangfolge untereinander klären. Dies ist äußerst wichtig, denn wie bei vielen anderen Tiergemeinschaften bestimmt der soziale Rang einer Tüpfelhyäne nicht nur ihr soziales Umfeld sondern auch weitestgehend, wie privilegiert und erfolgreich sie im Leben sein wird.

Im folgenden Video ist eine Mutter mit ihrem vier Wochen alten Jungen zu sehen:

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Verbreitung

Tüpfelhyänen sind die am weitesten verbreiteten Großraubtiere Afrikas. Ursprünglich lebten sie fast überall in Afrika und Eurasien, heute gibt es sie noch südlich der Sahara. Die heutige Verbreitung ist zudem lückenhaft. In vielen Ländern existieren größere Populationen nur noch in geschützten Gebieten. Die 7200 bis 7700 Tiere des Serengeti-Ökosystems im Norden Tansanias und Süden Kenias und die 1300 bis 3900 Hyänen des Kruger Nationalparks in Südafrika stellen die größten Populationen dar.

Hyänen-Vorkommen

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Ernährung

Tüpfelhyänen sind effektive und flexible Jäger mit einem sehr breiten Beutespektrum. Im Ngorongoro-Krater bevorzugen sie Gnus und Büffelkälber, mittelgroße Beutetiere, die zwischen 50 und 180 kg wiegen. Erfahrene Tüpfelhyänen können Beute von der Größe eines ausgewachsenen Zebras alleine reißen. Meist werden Gnus, Zebras und Büffel jedoch in Gruppen von zwei bis 30 Tieren gejagt.

Tüpfelhyänen sind Ausdauerjäger. Sie lauern ihrer Beute also nicht auf wie etwa Löwen und Leoparden, sondern verfolgen sie so lange bis diese erschöpft aufgeben. An diese Jagdtechnik sind sie perfekt angepasst. Ihr Herz ist im Verhältnis zur Körpergröße extrem groß und über ihre lange Schnauze und die großen Ohren können sie ihren Körper effizient kühlen. Dies ermöglicht es ihnen auch, nach einer langen, intensiven Jagd sogleich mit dem Fressen zu beginnen – ein großer Vorteil in einer Welt voller hungriger Rivalen wie Löwen und anderen Hyänen. Und sie haben großen Appetit: In einer Mahlzeit können sie bis zu 15 kg Fleisch und Knochen verschlingen, eine Menge, die etwa 25% ihrer Körpermasse entspricht.

Tüpfelhyänen nehmen die Funktion einer ‚Gesundheitspolizei‘ ein. Sie jagen bevorzugt kranke, alte und schwache Beute und fressen an Krankheiten verendete Tiere. Dies macht sie für viele Ökosysteme unabdinglich. An das Fressen von Aas sind sie perfekt angepasst. Sie haben ein extrem gutes Immunsystem, welches es ihnen erlaubt, sogar Tiere zu fressen, die an für alle anderen Tierarten (und den Menschen) tödlichen Krankheiten, wie Milzbrand, verendet sind. Ihr kräftiger Schädel, ein besonders saurer Magen und extrem große und starke Backenzähne erlauben ihnen zudem, auch große Knochen zu brechen und zu verdauen.

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Systematik

Tüpfelhyänen gehören zu der Familie der Hyänen (Hyaenidae). Die Familie der Hyänen ist besonders nah verwandt mit den Mangusten und den Schleichkatzen und gehört zu der Unterordnung der Katzenartigen (Feliformia), einer Schwestergruppe der Hundeartigen (Caniformia). Hyänen sind damit, entgegen ihrem Erscheinungsbild, näher mit Katzen als mit Hunden verwandt.

Raubtier-Systematik

Die heute lebenden Hyänen werden, basierend auf genetischen und morphologischen Unterschieden, in vier Arten unterteilt, der Erdwolf, die braune Hyäne, die Streifenhyäne, und die Tüpfelhyäne. Die beiden am nächsten miteinander verwandten Arten sind die Braune Hyäne und die Streifenhyäne.

Zwischen den Tüpfelhyänen-Populationen Westafrikas, Ostafrikas und Südafrikas gibt es Unterschiede in der Morphologie und mitochondrialen DNA, doch sind diese Populationen bisher nicht als Unterarten definiert.

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Weitere Informationen

Die Chefinnen der Savanne. Artikel über Tüpfelhyänen im Tagesanzeiger vom 06.07.2018 von Barbara Reye.

Projekt Open Tree of Life. Systematik und Taxonomie von Tüpfelhyänen und Raubtieren allgemein.

Rote-Liste-Seite der International Union for Conservation of Nature (IUCN). Verbreitung und Gefährdungsstatus von Tüpfelhyänen.

Höner OP, Wachter B, East ML, Hofer H (2002) The response of spotted hyaenas to long-term changes in prey populations: functional response and interspecific kleptoparasitism. Journal of Animal Ecology 71: 236-246.