Warum haben hochrangige Hyänenmännchen bei den Weibchen die besten Chancen?

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Eine Geschichte über Sex, Stress und Hyänenkot

Von Oliver Höner und Eve Davidian

Bei Tieren, die in Gruppen leben, werden Nahrung und andere Ressourcen selten gleichmäßig unter den Mitgliedern aufgeteilt: diejenigen an der Spitze der Rangordnung kriegen die leckersten Happen, sichern sich die bequemsten Ruheplätze und verpaaren sich mit den attraktivsten Partnern. In einer Welt, in der es das höchste Ziel ist, möglichst viele Nachkommen zu zeugen, leuchtet es deshalb ein, weshalb viele Tiere sehr viel in das Erreichen und den Erhalt eines hohen Ranges investieren.

Unklar ist jedoch, wie der soziale Rang den Fortpflanzungserfolg beeinflusst. Sind hochrangige Männchen erfolgreicher weil sie kräftiger sind oder besser und gesünder aussehen? Oder liegt es daran, dass sie die Konkurrenz von Rivalen kaum ‘stresst’ und sie deshalb mehr in das Umgarnen von Weibchen investieren können als Männchen von niedrigerem Rang?

Um diese Fragen zu beantworten, verbrachten wir Zeit in der Afrikanischen Savanne. Viel Zeit. Während mehr als 20 Jahren suchten und identifizierten wir tausende freilebende Tüpfelhyänen im Ngorongoro-Krater im Norden Tansanias, bestimmten die Väter der Nachkommen, und beobachteten ihr Verhalten. Und wir sammelten mehr als 400 dampfende Hyänen-Kote, um den Gehalt an Kortisol zu messen und damit die von der Hyäne erfahrenen physiologischen Kosten, den sogenannten ‚Stress‘, zu messen. [Um zu erfahren, was es bedeutet, eine erfolgreiche Hyänen-Kot-Jägerin zu sein, klickt auf eine der unten abgebildeten Hyänen]

Unsere Studie zeigt, dass Begegnungen mit Rivalen für niedrigrangige Männchen mit mehr ‚Stress‘ verbunden sind als für hochrangige Männchen. Dies verringert die Zeit und Energie, die niedrigrangige Männchen in das Werben um die fruchtbarsten – und am stärksten umworbenen – Weibchen investieren können. Die Männchen müssen zudem zwischen romantischem Werben und alltäglichen Aufgaben wie dem Kennenlernen neuer Clanmitglieder, der Pflege von Freundschaften und dem Aufbau von strategischen Allianzen abwägen. Niedrigrangige Männchen üben nur ungern solche ‚stressigen‘ Aktivitäten aus und verbringen mehr Zeit alleine, an Knochen nagend oder beim chillen in einer Pfütze. Im Gegensatz dazu müssen hochrangige Männchen weniger Zeit alleine verbringen, um ‚Stress‘ abzubauen, und können deshalb mehr in den Aufbau von freundschaftlichen Beziehungen mit den Weibchen investieren.

Im Gegensatz zu Arten, bei denen Männchen ihre körperliche Stärke oder langen Hörner einsetzen, um einen hohen Rang zu erlangen und Rivalen aus dem Weg zu räumen – oder gar Weibchen sexuell zu bedrängen – führen Hyänenmännchen kaum je gewaltsame Kämpfe, um an die Spitze der Hierarchie zu gelangen – und Weibchen zu einer Paarung zu zwingen ist wegen der speziellen Anatomie der vermännlichten Geschlechtsorgane der Hyänenweibchen unmöglich.

Doch weshalb sind niedrigrangige Männchen mehr gestresst als hochrangige? Hyänenmännchen mögen keine rücksichtslosen Grobiane sein, aber sie sind auch keine friedlichen Hippies und es gibt durchaus ab und zu Konflikte. Bei diesen Konflikten werden die Dominanzverhältnisse durch die Anzahl der sozialen Verbündeten bestimmt, auf die die beiden Streithähne zählen können: diejenigen, die erst kürzlich zu der Gruppe stießen und deswegen noch keine Freunde haben, unterwerfen sich. Niedrigrangige Mitglieder müssen auch häufiger als Sündenbock herhalten, wenn sich zwei andere zanken; dieses ‚scapegoating‘ wird bei den Hyänen häufig praktiziert und hilft den Hochrangigen, Stress abzubauen während es die Niedrigrangigen zusätzlich frustriert. Oft gibt es eine regelrechte Kettenreaktion, bei der Aggression schön der Rangfolge nach vom jeweils höherrangigen Mitglied an das nächst-niedrigrangigere weitergegeben wird. Das ist in unserem Video schön zu sehen. Wenn die Hyäne mit dem niedrigsten Rang keine andere Hyäne als Sündenbock findet, richtet sie sich zur Not auch an einen vorbeilaufenden, nichtsahnenden Schakal oder einen Stein. Und wenn gar nichts anderes in der Nähe zu finden ist, reicht auch unser Fahrzeug.

Aber allzu viel Mitleid brauchen die niedrigrangigen Männchen nicht, denn mit ein wenig Geduld kommt ihre Zeit. Der soziale Rang von Hyänenmännchen wird wie bei einer Warteschlange durch soziale Konventionen bestimmt: sie beginnen ganz unten und warten sich allmählich nach oben bis sie irgendwann in den Genuss der Privilegien der höchstrangigen Männchen kommen.

Original-Veröffentlichung:

Davidian E, Wachter B, Heckmann I, Dehnhard M, Hofer H, Höner OP (2021) The interplay between social rank, physiological constraints and investment in courtship in male spotted hyenas. Functional Ecology 35: 635-649. doi: 10.1111/1365-2435.13733


Weitere Informationen

Davidian E, Courtiol A, Wachter B, Hofer H, Höner OP (2016) Why do some males choose to breed at home when most other males disperse? Science Advances 2 e1501236.

Höner OP, Wachter B, East ML, Streich WJ, Wilhelm K, Burke T, Hofer H (2007) Female mate-choice drives the evolution of male-biased dispersal in a social mammal. Nature 448: 798-801.

Davidian E*, Benhaiem S*, Courtiol A, Hofer H, Höner OP, Dehnhard M (2015) Determining hormone metabolite concentrations when enzyme immunoassay accuracy varies over time. Methods in Ecology and Evolution 6(5):576-583. *contributed equally