Von Eve Davidian und Oliver Höner
Männchen, die zu Hause bleiben, müssen keine Zweite-Klasse-Männchen sein, sondern können genauso viele Nachkommen zeugen wie ihre Abenteuer lustigen, abwandernden Kollegen. Die Ergebnisse unserer neuesten Studie an den Tüpfelhyänen des Ngorongoro-Kraters wurden gestern in dem frei zugänglichen online-Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
Bei den meisten Säugetieren gibt es Männchen, die zu Hause bleiben und solche, die abwandern und sich anderswo fortpflanzen. Nesthocker gelten gemeinhin als Verlierertypen, die weniger Nachkommen zeugen, weil sie die zusätzlichen Risiken scheuen, die mit einer Abwanderung üblicher Weise verbunden sind.
Unsere Studie zeigt erstmalig bei einem gruppenlebenden Säugetier, dass daheimgebliebene Männchen und Abwanderer einen ähnlichen Erfolg bei den Weibchen haben. Wir zeigen zudem, dass die Entscheidung, ob Abwandern oder zu Hause bleiben, das Ergebnis eines individuellen Prozesses ist, bei dem alle Männchen die gleiche Frage beantworten: In welcher Gruppe habe ich den größten Fortpflanzungserfolg? Ob ein junges Männchen zu Hause bleibt oder abwandert, hängt in erster Linie davon ab, ob die Geburtsgruppe oder eine andere Gruppe mehr junge Weibchen enthält.
Für die Studie untersuchten wir während 20 Jahren die gesamte Tüpfelhyänenpopulation des Ngorongoro-Kraters. Wir zeichneten demographische Daten der acht Clans auf und verknüpften diese mit Daten zu Auswanderungsverhalten, Gruppenwahl, Überlebensdauer und Fortpflanzungserfolg von über 250 Hyänenmännchen.
Welche Gruppe am meisten junge Weibchen enthält, hängt bei natürlichen Populationen von Zufallsereignissen und Umwelteinflüssen ab. Bei einer Population mit mehr als zwei Gruppen enthält die Geburtsgruppe seltener die meisten jungen Weibchen. Wie erwartet, wanderten die meisten Hyänenmännchen des Ngorongoro-Kraters aus ihrer Geburtsgruppe ab. Insgesamt blieben jedoch mehr Männchen zu Hause, als aufgrund der Verteilung der jungen Weibchen zu erwarten war. Dies deutet darauf hin, dass Nesthocker Vorteile genießen.
Die größten Vorteile verschaffen den Nesthockern ihre Mütter. Im matriarchalischen System der Tüpfelhyänen beeinflussen Weibchen den Wettbewerb der Männchen. Sie unterstützen ihre daheimgebliebenen Söhne und sorgen dafür, dass diese einen hohen sozialen Rang in der Rangfolge der Männchen erlangen. Dadurch haben die Nesthocker privilegierten Zugang zu Ressourcen und Weibchen und können viel Zeit in den Aufbau von Beziehungen zu Weibchen investieren. Das zahlt sich aus, denn Nesthocker zeugen ihre ersten Nachkommen früher als Abwanderer und paaren sich fast ausschließlich mit ranghohen Weibchen. Den Weibchen also, die ihre Jungen besonders erfolgreich aufziehen. Damit wiesen wir zum ersten Mal bei einem gruppenlebenden Säugetier empirisch nach, dass Nesthocker mindestens so erfolgreich sein können wie Abwanderer.
Abwanderung ist ein Schlüsselfaktor ökologischer und evolutionärer Prozesse. Bisher fand die Wissenschaft jedoch keine befriedigende Erklärung dafür, weshalb sich Individuen desselben Geschlechtes einer Art in ihrer Abwanderungstendenz unterscheiden. Die Ergebnisse dieser Langzeitstudie liefern dazu neue Erkenntnisse und tragen zum Verständnis der Prozesse bei, die zur Koexistenz von Ortstreue und Abwanderung im gleichen Geschlecht führen.
Weitere Informationen
Davidian E, Courtiol A, Wachter B, Hofer H, Höner OP (2016) Why do some males choose to breed at home when most other males disperse? Science Advances 2 e1501236.
Roland Knauer (2016) Auch Stubenhocker haben gute Chancen. Stuttgarter Zeitung, 18. März.
Stefanie Michel (2016) Der Sex Appeal großer Jungs, die bei Mama bleiben. Interview mit Oliver Höner. Welt, 17. November.